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Verspannung Rolfing Faszientherapie

Wir sind durch Verspannungen unseres Fasziensystems organisiert. Lesen Sie, warum wir Verspannungen brauchen und nur ein Zuviel zu Verschleiß, Rückenschmerz und Ineffizienz führt. Und warum bei Schäden an dieser Verspannung, nur ein abgestimmtes Ändern von vielen Einzelspannungen nachhaltig Besserung verspricht.

„Viel Rückenkraft hilft nicht gegen viel Rückenschmerzen“

Unser Fasziensystem funktioniert wie die Takelage eines Segelschiffs, d.h. wie das gesamte Seilsystem rund um den Mast. Unterschiedlich starke Züge richten den Mast auf und halten ihn dort gegen Seitenkräfte und Winde. Ganz am Ende dieses Artikels können Sie dann auch lesen, wie Sie sich selbst helfen. Was Sie selbst mit wenig Aufwand übern, um Ihre „Takelage“ – Ihre Verspannung wieder gut auszurichten.

Die Falle bei Rückenschmerzen

Sie kennen die Werbung „ein starker Rücken kennt keine Schmerzen“ oder den Rat, dass Bauchtraining gut für den Rücken ist. Sicher, ohne Kraft geht es nicht. Aber was passiert mit zu viel Kraft? Und übertragen auf das Segelschiff und die Takelage: Was passiert, wenn alle Seile immer stärker am Mast ziehen? Hobbybastler werden sagen, nach fest kommt kaputt.

Rückenschmerzen – Ich breche durch

Eine Möglichkeit ist, dass der Mast sich mit einem Mal zur Seite verbiegt, wie ein Gehstock, der unter der Last etwas nachgibt. Bei einem Schiff wäre das besonders leicht zu erreichen, wenn die hinteren Seile, die zur Mastspitze gehen, besonders stark ziehen, während die vorderen Seile, die in der Mitte des Mastes befestigt sind, kräftig dagegenhalten.

Verspannung Fasziensystem Rückenschmerzen
Verspannungen-Fasziensystem-Rückenschmerzen

In unserem Rücke gibt es tatsächlich zwei Muskelgruppen, die so an unserer Wirbelsäule ziehen können. Es sind die langen Rückenstrecker und der auf der Bauchseite der Wirbelsäule liegende große Lendenmuskel, ebenfalls ein Muskel mit sehr viel Kraft!

Was zieht die Wirbelsäule nach vorne?

Ich sehe diese Spannungsverhältnisse vor allem bei sportlichen Frauen, die Wirbelsäule liegt tief zwischen gut geformten, kräftigen Rückenmuskeln.

Verspannungen im Rücken Rückenschmerzen, durchgestreckte Knie

Zudem sind die Knie oft nach hinten durchgestreckt. Erleichterung der Rückenverspannung gelingt kurzfristig, indem durch Vorbeugen der Rücken nach hinten durchgestreckt wird. Ein verhängnisvoller Ausgleich kann auch darin bestehen über eine Dauerspannung des Bauchs den Rücken wieder etwas gerader zu drücken. Damit arbeitet die Bauchmuskulatur gegen die weiterhin bestehende Spannung aus Rückenstreckern und Psoas. Reizdarm ist dann wörtlich zu nehmen, denn sie reizen durch übermäßigen Druck und unterbinden die natürliche Beweglichkeit (Motilität) Ihrer „Gedärme“


Rückenschmerzen – Ich bewege meinen Rücken lieber nicht

Was geschieht, wenn die Verspannung des Masts sehr gleichmäßig ist und der Mast nicht wie oben zur Seite ausbrechen kann? Irgendwann wird er durch den Schiffsrumpf ins Wasser durchbrechen. Nun entspricht unsere Wirbelsäule nicht dem einen Mast eines Schiffs, es sind vielmehr viele „Maststücke“ übereinander verspannt. Zwischen jedem „Maststück“, jedem Wirbel, liegt eine Bandscheibe wie ein gespannter Ball.

Verspannung im geraden Rücken
Bandscheiben – wie ein Ball unter zuviel Kraft

Dieser Ball wird nun ständig gleichförmig zu stark belastet und wird dadurch schneller verschleißen. Die Rückenschmerzen entstehen dann akut durch einen Bandscheibenvorfall oder schleichend durch allmähliches Abdrücken der Nerven, die durch die Bandscheiben freigehalten werden sollten.

zu gerader Rücken führt zu Rückenschmerzen und Verspannungen

Diese Rückenschmerzen sind vor allem bei sehr geradem Rücken anzutreffen und betreffen eher Männer. Ein sehr gerader Rücken bricht nicht so leicht aus, aber er verliert damit seine Fähigkeit, als Stoßdämpfer zu arbeiten.

„Ein gerader Rücken wird unelastisch.“

D.h., jeder Schritt überträgt den Stoß des Aufkommens direkt auf alle Bandscheiben, ohne dass die geschwungene Form der Wirbelsäule einen Teil der Kraft aufnehmen kann. Die Bandscheiben fühlen sich dadurch wie ein Baseball, der immer auf derselben Stelle getroffen wird. Somit kommt es zu schnellerem Verschleiß, zur Einklemmung von Nerven und – als Schutz – zu mehr Verspannungen. Damit ist ein Teufelskreis geschlossen, denn durch die schmerzhafte Verspannung wird der Verschleiß auf immer gleiche Bereiche eingeengt und dadurch beschleunigt.

Verspannungen im Fasziensystem ausgleichen

Das Ziel von Rolfing ist, Verspannungen so auszugleichen, dass es zu weniger Verschleiß und damit zu weniger Schmerzen kommt. Die Kunst besteht darin, sehr gezielt die Verspannungen zu lösen, die den größten Effekt auf die Gesamtstatik haben. Wenn dadurch ein Teil der Haltearbeit wegfällt, werden Bereiche des Gewebes angeregt, die aufgrund hoher benachbarter Spannung nie ihre eigentliche Arbeit verrichten mussten. Es kann also zu dem Phänomen von Muskelkater kommen, obwohl „nur“ eine gezielte Entspannung angestrebt wurde.

Der Effekt von Rolfing besteht zum Teil in der Reduzierung von Verspannungen. Darüber hinaus soll es auch zu einer Differenzierung des Gewebes kommen, die eine unabhängige Nutzung von Muskeln und Muskelanteilen erlauben. Unabhängig bedeutet, es werden nicht pauschal alle „irgendwie“ beteiligten Muskel genutzt, sondern nur die, die auch tatsächlich notwendig sind. Menschen mit sehr geradem Rücken müssen daher oft neu lernen, ihr Bein beim Treppensteigen anzuheben, ohne dabei einen Teil der Muskeln im und am Po zu verwenden. Denn es ist diese aktive Spannung, die den Rücken gerade zieht.

Was Sie selbst tun können

Kennen Sie auch den guten Ratschlag, wir müssen uns alle mehr dehnen? Vor allem beim Sport! Klar, wissen wir doch. Bis auf ein paar Yogis macht es am Ende aber doch keiner. Und deswegen haben wir ja alle auch ein bisschen schlechtes Gewissen. Denn eigentlich …

„Muskeln verkürzen sich nicht.“

Jetzt kommt die gute Nachricht: Dass sich Muskel verkürzen gilt als überholt. Richtig ist, dass wir steifer werden, wenn wir nicht dehnen. Aber es ist eben nicht der Muskel, sondern vielmehr die Umhüllung, die Faszie die sich verkürzt. Es ist als ob der Taucheranzug enger und steifer geworden ist und nicht der Taucher dicker und unbeweglich. Und diese Muskelhülle will anders gedehnt werden als ein Muskel.

4 järhiger Junge entspannt in der Hocke, sicher ohne Rückenschmerzen und Verspannungen

Diese Hockstellung ist eine große Entspannung für den Rücken.

Deswegen hockt ein Großteil der Menschheit so. Der ganze Fuß ist auf dem Boden und Sie können dabei sogar lächeln 🙂


Sie werden denken, ich hab‘ ja gut reden. Die wenigsten Menschen kommen als Erwachsener noch in diese Stellung. Doch – Sie können es schaffen! Dafür wollen Sie nicht die Faszien „irgendwie“ langziehen oder dehnen. Sie wollen vielmehr den Zellen, die die Faszien auf- und umbauen mitteilen „NICHT SO ENG“. Diese Zellen reagieren auf einen „überschwelligen“ Reiz, will heißen, die Komfortzone muss kurz überschritten werden. Es ist als ob Sie ein Tischtuch gerade zupfen wollen. Der Zug ist kurz und gerade so groß, dass die Decke über die Tischoberfläche gleitet. Aber nicht so groß, dass alles vom Tisch fliegt, wie in klassischen Filmszenen.

Eine effiziente Übung – sportlich wie Hallen-Jojo

  1. Sie gehen in die Hocke, soweit es eben geht, mit den Füßen flach auf dem Boden. Probieren Sie es auch aus, wie es ist den Hintern etwas nach links oder nach rechts zu nehmen.
  2. Jetzt kennen Sie Ihre Schwelle. Weiter geht es „eigentlich“ nicht.
  3. Jetzt lassen Sie sich aus dem Stand in diese Position federn. Wenn Sie sehr steif sind, dann funktioniert Ihr Gewebe wie ein Gummiband. Es wird gedehnt und federt sie zurück in den Stand. Ihr Gewicht wird einen überschwelligen Reiz produzieren – fertig. Das war’s. Ein paar mal jeden Tag und Ihr Gewebe reagiert langsam auf „ES IST ZU ENG“.