Unsere Hüfte – Wie wir unsere Lasten tragen
Hüftgelenks-Operationen entwickeln sich zur Brot-und-Butter Operation in Deutschland. Ja, wir werden alle älter. Und ja – wir sind eher bereit als vor 20 Jahren unseren Körper als Reparaturfeld zu betrachten. Dennoch, der Zuwachs zeigt mehr. Wir haben unsere Verantwortung für unsere Gesundheit zu leichtfertig an den Operationstisch abgegeben. Und wenn wir über Hüftschmerzen sprechen, ist noch etwas erstaunlich. Das „objektive“ Maß der Schäden im Hüftgelenk macht kaum eine Aussage über das Maß der Hüftschmerzen und Beschwerden. Ich kenne Patienten, bei denen beide Hüftseiten gleichermaßen klassifiziert sind. Jedoch nur ein Hüftgelenk bereitet überhaupt Schmerzen, und zwar massive Schmerzen. Der medizinische Befund deckt sich also nicht notwendigerweise mit der Stärke der Hüftschmerzen.
Das Hüftgelenk und unser Becken im weiteren Sinne ist in unserem Körperbild meist Niemandsland. Ich starte daher zunächst mit einer Klärung der Lage, denn Schmerzen in unklaren Gebieten wie dem Becken produzieren unklare und meist schädliche Ausgleichsspannungen. D.h., wenn Sie Hüftschmerzen haben, stabilisieren Sie den Schmerzbereich zu ungenau. Mit anderen Worten, Sie spannen alle Muskeln „irgendwie“ in der Nachbarschaft der Schmerzen an. Dies führt jedoch zu mehr Druck im geschädigten Bereich und damit oft wiederum zu mehr Beschwerden. Da Rolfing sich besonders auf den Ausgleich von Spannungen im Fasziensystem konzentriert, kann es als Therapie bei Hüftschmerzen gut angewendet werden.
Danach kommen Übungen, die Sie selbst tun können. Auch ein Bezug zu Yogaübungen folgt. Und schlussendlich Behandlungen, bei denen Sie externe Hilfe benötigen. Dies macht Ihr Zutun jedoch nicht überflüssig.
Ein Wort des Ausgleichs: ich bin nicht gegen Hüftgelenksprothesen per se! In meiner eigenen Familie habe ich über die Jahre gleich mehrere Hüft-OPs aus nächster Nähe beobachtet. Die Erwartung vor der Operation und der Zustand nach der Operation liefen dabei stark auseinander. Auch die Aussage bei Beschwerden, „die Operationsmethode gilt heute aber als veraltet“ war nicht wirklich beruhigend. Dies und die Erfahrungen in meiner Praxis resultiert in meiner Überzeugung:
- Vor einer Operation alle konventionellen Möglichkeiten ausschöpfen.
- Annehmen, dass sich Operationsmethoden auch weiterhin verbessern.
- Damit eine Operation so weit wie möglich nach hinten schieben.
- Selbst Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen. Das heißt auch, selbst an den eigenen Schwächen z.B. im Hüftgelenk arbeiten.
Klärung der Landkarte – Vorbeugung von Hüftschmerzen
Bevor Sie die Frage nach der Lage des Hüftgelenks in Ihrem Körper als „anatomisches Detail“ abtun, eine Klärung. Unsere Wahrnehmung unseres Körperbildes, d.h. unsere Propriozeption, bestimmt wesentlich unsere Bewegungen und damit den möglichen Verschleiß von Gelenken.
Ein Beispiel, bevor ich zum Hüftgelenk komme: Sie wissen ziemlich sicher, wo sich Ihr Ellenbogengelenk befindet. Dies erlaubt die funktionsgerechte Bewegung des Unterarms. Machen Sie nun das folgende Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Ihr Ellenbogengelenk rutscht 10 cm in Richtung Hand. Damit fällt Ihr Körperbild und die Realität Ihres Körpers auseinander. Dies hat fundamentale Auswirkungen auf die Vorspannung Ihrer Muskeln rund um das Ellenbogengelenk. Wenn Sie ein gut geschultes Körperbild haben, dann spüren Sie vielleicht die höhere Spannung im Unterarm. Denn Sie versuchen ja streng genommen, eine Bewegung an einer Stelle auszuführen, an der es gar nicht möglich ist.
Es ist, als ob Ihr Navi die Karte von München nutzt, Sie sich tatsächlich aber in Hamburg befinden. Ihr Navi sagt „jetzt bitte rechts abbiegen“, Hamburg, meint „das geht nicht“. D.h., Sie fahren unsicher und wie mit angezogener Handbremse. Auf Ihr Gelenk bezogen heißt dies, Sie haben eine zu hohe Grundspannung. Diese bewirkt dann über die Zeit Verschleiß und Entzündungen. Die Diagnose heißt dann oft Hüftarthrose.
Unser Hüftgelenk im Schritt
Also zurück zur Lage des Hüftgelenks: 99% meiner Klienten verorten Ihr Hüftgelenk außen an der seitlichen Hosennaht. Tatsächlich liegt es aber viel weiter innen. Tasten Sie in Ihrer Leiste den Puls der großen Beinschlagader. (Ein Bild über die Lage der Beinschlagader und des Hüftgelenks.) Damit finden Sie den inneren Rand Ihres Hüftgelenks. D.h., Ihr Hüftgelenk liegt tatsächlich viel mittiger als Sie wahrscheinlich vermutet haben. Und das hat Auswirkungen auf Ihr Gangbild!
Stellen Sie sich den Gang von John Wayne mit den Händen am Colt vor und auf der anderen Seite eine südamerikanische Sambatänzerin. Und dies ist keine Frage von sexy gehen oder männlich oder weiblich. Wenn Sie wie John Wayne gehen und Ihr Hüftgelenk an der Hosennaht vermuten, dann schädigen Sie Ihr Hüftgelenk. Die Sambatänzerin weiß zumindest, wie ihr Körper funktioniert (auch wenn sie vielleicht noch mehr demonstrieren will.)
Übung zur Justierung des Körperbildes – Hüftschmerzen vorbeugen
Legen Sie Ihre Fingerspitzen in Ihre Leiste. Sie können sich am Puls Ihrer Beinschlagader orientieren. Damit liegen die Fingerspitzen der Mittelfinger 10-15 cm auseinander. So kommen Ihre Finger über dem Hüftgelenk zu liegen. Nun gehen Sie auf und ab und beobachten mit Ihren Fingerspitzen Ihr Gelenk. Natürlich bewegt sich noch alles mögliche um das Gelenk herum. Aber die eigentliche Kraftübertragung Ihres Beins auf die das Becken und Ihre Wirbelsäule geschieht unter Ihren Fingern.
Und ich kann es nicht genug betonen. Sich entsprechend der wirklichen Lage Ihrer Gelenke zu bewegen ist keine Frage von weiblich oder sexy. Es ist schlicht Ihre Konstruktion. Ja – es ergibt sich meist eine etwas weichere Gangart, aber das ist auch erwünscht. Und das gilt auch für Männer. Wenn die Hüfte etwas schwingt, dann ist das Physik und nicht irgend eine Bewertung. Sie wollen sich mit weniger überflüssigen Druck in Ihrem Gelenk bewegen. Sie wollen einer Hüftgelenksarthrose vorbeugen. Das heißt, Sie wollen keine oder weniger Hüftschmerzen haben.
Wie wir unser Hüftgelenk nutzen
Unser Oberschenkelknochen endet in einer Halbkugel, die in einer Schale des Beckens ruht, ähnlich wie ein Stößel in einem Mörser. Der Unterschied zum Mörser ist, dass es kein Spiel zwischen Stößel und Schale gibt. Zudem ist die aufnehmende Beckenpfanne nicht gleichmäßig aus demselben Material.
Der Boden der Beckenpfanne ist aus Knochen, während der Rand aus einem zäh elastischem Knorpelgewebe besteht. Die Gesundheit dieser genialen Konstruktion hängt in großem Maß von der richtigen Nutzung ab. Sie wollen den Druck zentral in die Gelenkpfanne leiten und nicht an den Rand. Es ist wie ein Stößel der auf dem Boden eines Mörsers bleiben soll und nicht an den Rand gedrückt werden darf. Denn der Rand ist für starken Belastung eben nicht ausgelegt. Der Bandapparat hält den Oberschenkelkopf zwar fest in der Beckenpfanne, dennoch kann die Kraft sehr unterschiedlich im Gelenk wirken.
Ursachen für Hüftschmerzen durch falsche Druckbelastung im Hüftgelenk
Wenn wir eine Haltung im Ballett betrachten, dann sehen wir nie etwas Natürliches. (Das heißt: So nicht – zumindest außerhalb der Bühne!) Es verdeutlicht jedoch Möglichkeiten durch ein Extrem in der Haltung. In dieser typischen Fuß- und Bein-Stellung drehen Sie den Hüftkopf vom hinteren Rand der Hüftpfanne weg. Dadurch steigt die Belastung vorne (in der Leiste) in der Gelenkpfanne. Probieren Sie es doch selbst einmal aus. Welche Muskeln spannen Sie an, um diese Stellung zu erreichen? Wenn Sie darin nicht geübt sind, dann nehmen Sie wahrscheinlich alle Po-Muskeln, derer Sie habhaft werden können. (Dabei könnten Sie dies auch mit weichem Hintern erreichen.)
Der Punkt ist jedoch: Eine Anspannung der Po-Muskulatur bringt Sie in die Richtung dieser Ballett-Stellung. Und es gibt viele Möglichkeiten, unsern Hintern in eine permanente Anspannung zu bringen: Sportlicher Ehrgeiz im Bauch-Beine-Po Trainingsprogramm. Das Schönheitsideal von einem runden, immer festen Hintern. Die innere Einstellung Arschbacken-zusammenkneifen-und-durch. Das Problem ist nicht, die Po-Muskulatur zu nutzen. Sie sollte jedoch nicht permanent aktiv und damit zum Teil Ihrer natürlichen Haltung geworden sein. Denn diese Haltung fördert Verschleiß und damit Hüftschmerzen.
Der feste Po und die schmerzende Hüfte – Ein gezielte Übung dagegen
Unser Körper kann auch als eine Ansammlung an Bällen und Federn verstanden werden, die alle miteinander durch Druck und Spannung in Beziehung stehen. Wenn wir einen Ball auf einer Seite zusammendrücken, dann wird er zur freien Seite hin ausweichen. Wenn wir eine Stahlfeder auf der einen Seite komprimieren, dann öffnet sie sich auf der gegenüberliegenden. Das bedeutet, eine hohe Spannung „irgendwo“ im Po schiebt unsere Beine nach vorne und damit gegen den vorderen Rand der Gelenkpfanne. Zu glauben, kein Training für unser Gesäß wäre jetzt die Lösung, ist jedoch falsch. Die Herausforderung liegt darin, unseren Po gezielt zu trainieren. Dies ist eine besondere Schwierigkeit, da wir in diesem Bereich nicht sehr sensibel sind.
Die halbe Brücke ist eine ideale isometrische Übung, um die tiefe Muskulatur zu stärken. Dabei gilt es jedoch etwas Wesentliches zu beachten. Sie wollen nicht einfach alle Po-Muskeln aktivieren! Sie können diese Position erreichen und Ihr äußerer Po-Muskel ist dabei weich. Kontrollieren Sie dies ruhig immer wieder mit Ihrer Hand. Die Arbeit wird durch das Halten dieser Position in der Tiefe geleistet. Sie tonisieren Ihren mittleren Gesäßmuskel und entkoppeln ihn von dem äußeren Gesäßmuskel.
Wenn Sie den großen äußeren Gesäßmuskel dazu nehmen, dann fällt die Übung leichter. Sie spüren hierbei aber auch eine Spannung auf der Innenseite der Beine, die die Knie leicht nach außen drückt und in der Leiste eine Anspannung produziert. Genau dies wollen Sie aber vermeiden! Es braucht am Anfang etwas Übung. Doch mit der Zeit können Sie die verschiedenen Schichten in Ihrem Gesäß unterscheiden. Haben Sie Ihre tiefe Muskulatur klar auf Ihrem Radar, dann können Sie diese auch im Stehen oder Sitzen etwas aktivieren. Möglicherweise können Sie dabei sogar eine kleine Aufrichtung des Oberkörpers spüren, die im Idealfall eine Öffnung um das Brustbein ermöglicht.
Diese Übung sollten Sie auch machen, wenn Sie bereits Hüftschmerzen haben. Sie wollen trotz der Schmerzen über eine große Differenzierung in Ihrer Hüfte verfügen. So können Sie leichter Länge im komprimierten Hüftgelenk erreichen.
Was Yoga in der Hüfte erreichen kann
Viele Yoga-Übungen habe eine innere Weisheit, die gar nicht so leicht zu ergründen ist. Warum der Yoga-Sitz, was soll im Körper damit bewirkt werden? Diese Positionen sind aus einer genauen Beobachtung des Körpers entstanden und haben tatsächlich alle ein Ziel. Es geht nicht darum das äußere Bild zu kopieren, sondern den Körper mit der Zeit so zu formen, dass die Yogahaltung eingenommen werden kann. Die Erste der abgebildeten Yogaformen ist eine Umsetzung der oben beschriebenen halben Brücke mit einer Öffnung unter dem Brustbein. Dabei sollte das Becken geschlossen bleiben. Diese Übung ist viel mehr als bloße Gymnastik.
Doch nun zu den Übungen, die alle auch auf das Hüftgelenk zielen. Alle drei Formen sind eine gute Übungsbasis für den jungen Mann. Er würde von ein bisschen mehr Länge in den rückwärtigen Oberschenkeln und vor allem von mehr Weite zwischen den Sitzbeinhöckern profitieren. Damit würde der Oberschenkelkopf etwas nach hinten gleiten können. Hierdurch wären sowohl das Reichen zu den Füßen als auch das aufrechte Sitzen viel leichter. Doch die Yoga-Trainerin schaut leider nur auf die sichtbare Form. Der Oberkörper muss nicht nach vorne gedrückt werden. Hilfreich wäre es, das gestreckte linke Bein nach hinten in das Becken zu schieben. Wenn Sie also Yoga machen, dann achten Sie auf sich und suchen Lehrer, die nicht nur die Form korrigieren.
Yoga – passen Sie die Intensität Ihrem Gewebe an
All diese o.a. Positionen möchte ich vor allem Männern ans Herz legen. Sie tun auch etwas für Ihre Prostata – na, wenn das keine Motivation ist. ABER – schielen Sie nicht auf viel beweglichere junge Frauen, das ist eine andere Welt! Sie arbeiten nicht für die Optik nach außen, sondern für sich. Wenn es im Knie schmerzt, fehlt Ihnen an anderer Stelle die Flexibilität. Spüren Sie nach, welches die nächste Stelle ist, die nachgeben müsste, um sich der Zielform anzunähern. Erkunden Sie Ihre Hüfte, das ist meist unbekanntes Terrain. Klarheit und Weite im hinteren Teil der Hüfte ist Therapie gegen Hüftschmerzen.
Wenn Sie zu den super-flexiblen Frauen gehören, dann gehen Sie vorsichtig mit sich um. Viele Yogaformen sind für eine größere Steifheit des Gewebes geschaffen. Sie können sich tatsächlich selbst schädigen. Und es ist soooo verlockend anspruchsvolle Formen schnell zu können. Es scheint, als wären Sie für Yoga gemacht, doch das ist trügerisch. Gerade um Hüftschmerzen vorzubeugen, dehnen Sie vorsichtig. Sie benötigen eher mehr Stabilität als mehr Flexibilität. Sie leben damit in einer anderen Welt als all die steifen – „ich-müsste-eigentlich-mehr-Dehen“-Menschen. Ihnen möchte ich einen umsichtigen Körpertherapeuten, gerne auch einen Rolfer ans Herz legen. Versuchen Sie auch eine Tonus-aufbauende Form wie z.B. Gyrotonic.
Wenn die Hüfte aus den Fugen gerät
Hüft-Operationen Deutschland Rechte Hüfte mit Schmerzen beim Gehen
Was sind die Gründe für Hüftschmerzen? Die schnelle Antwort heißt meist Hüftgelenksarthrose oder genauer Coxarthrose, d.h. eine negative Veränderung des Hüftkopfes. Doch fragen Sie weiter. Warum kommt es zur Hüftarthrose?
Die Begründung, „Last führt zu Verschleiß“, wird wohl zu Recht kontrovers diskutiert. Da in Deutschland auch heute noch die harte körperliche Arbeit vorwiegend von Männer verrichtet wird, müsste doch der Anteil der Männer mit Hüftoperation deutlich höher sein, als bei Frauen. Bis zum Alter von 65 sind jedoch Männer und Frauen gleich auf bei den Operationen. (Der kleine Unterschied liegt im höheren Männeranteil in der Bevölkerung in diesem Alter.) Ab 65 überholen Frauen die Männer deutlich bei den Hüft-Erstoperationen in Deutschland. Nur ein Teil des Anstiegs lässt sich durch die höhere Überlebenszeit von Frauen erklären.
Wikipedia benennt den Mechanismus hinter der Hüftgelenksarthrose folgendermaßen: Dass ein „…Ungleichgewicht zwischen gelenkschädigenden und heilenden (reparativen) Mechanismen zu Grunde liegt. Überwiegen Fehlbelastung, destruktive Mechanismen oder überschießende Reparationsvorgänge, entwickelt sich das Bild der Arthrose.“ Und weiter heißt es: „Bei den meisten Patienten im Alter von über 50 Jahren kann keine genaue Ursache für den Gelenkverschleiß festgestellt werden.“ Auch wenn direkte Druckbelastung auf die Gelenkflächen wohl nicht der erste Grund für Hüftschmerzen sind, so lohnt sich doch der Blick auf unsere Körperhaltung. Denn unsere Haltung bestimmt nicht nur die Druckverhältnisse direkt im Gelenk, sondern auch im umliegenden Gewebe. Diese Umgebung trägt wesentlich zur Versorgung des Hüftgelenks bei und beeinflusst damit anstehende Reparaturvorgänge im Gelenk. Und es ist genau die fehlende Balance zwischen Verschleiß und heilenden Mechanismen, die in der Folge Schmerzen verursacht.
Haltung – der Rolfing-Blick auf Hüftschmerzen
Das Ziel im Rolfing ist nicht, die Körperhaltung zu verbessern. Der Blick auf die Haltung dient vielmehr als Gradmesser für die strukturelle Integration. Die Haltung zeigt, wie Kräfte in uns wirken. Oder andersherum, Haltung zeigt das Potenzial für Veränderung. Am Beispiel der jungen Frau: je mehr die Beine unter den Rumpf kommen, umso aufrechter wird sie stehen, Knie und Nieren werden es danken und das Hüftgelenk besitzt die Chance, ohne Schmerzen alt zu werden.
Etwas mehr im Detail: ihr Oberkörper produziert einen Schub. Dieser drückt den Oberschenkelkopf nach vorne aus dem Gelenk. Die Form der Gelenkfläche und starke Bänder verhindern ein „auskugeln“ der Hüfte. Doch in der normalen Hauptlastzone des Gelenks steigt der Druck dadurch nochmals ziemlich stark. Diese zusätzlich Belastung entsteht trotz des geringen Körpergewichts der jungen Frau! Es sind schlicht die enormen Hebelkräfte, die hier wirken.
Übrigens, die Haltung ist nicht typisch für Frauen. Auch Männer kennen diese Körperhaltung. Sie ist durch einen meist geraden Rücken nur nicht so augenfällig. Hoch trainierte Quadrizeps der Oberschenkel, die die Kniee leicht nach außen drehen, sind ein guter Hinweis. Auch kann etwas Bauch die tief liegenden Spannungen überdecken. Dennoch, es ist eine Haltung, bei der die Köpfe der Oberschenkelknochen leicht nach vorne gedrückt werden. Schmerzen oder Druck in der Leiste sind oft die Folge.
Was bei dieser Haltung nicht hilft
Wenn Sie selbst Tendenzen zu obigen Haltung haben oder jemand Ihnen nahestehendes dazu zählt, dann gibt es ein paar Dinge, die nicht hilfreich sind. Auch wenn Sie Hüftschmerzen vorbeugen wollen, vermeiden Sie die folgenden Fehler:
- Eine Bewertung der Haltung oder gar Ermahnung „Bauch rein, Brust raus“ oder so ähnlich – halten Sie sich damit zurück. Auch jemanden in die richtige Stellung zu schieben oder auszurichten, wird nicht helfen. Sie können nicht pädagogisch eingreifen. Sie türmen nur auf schon bestehende Spannungen weitere auf. „Aber das ist doch schrecklich – oder?“ NEIN. Haltung ist immer die bestmögliche Lösung, die wir als Mensch – jeder von uns – auf Herausforderungen im Leben findet. Deswegen gilt es, umsichtig neue Lösungen zu finden, die hoffentlich weniger kräftezehrend sind. Eine gehaltene Position, weil Vater oder Mutter das sagen, zählt bestimmt nicht dazu.
- Bauchtraining? Das Allheilmittel unserer Tage ist keine Lösung. Breit angelegter Sport, Gymnastik oder Yoga sind fast immer gut, aber das gezielte Auftrainieren von Kraft, um Haltungen zu ändern, wird kaum gelingen. Die junge Frau ist jetzt schon zu kurz auf der Bauchseite. Das klingt vielleicht merkwürdig. Aber um nicht gänzlich nach hinten abzuknicken, ist die Vorderseite von Schambein bis Kinn permanent aktiv. Mehr davon ist daher kontraproduktiv. Aus Rolfing-Sicht stellt sich die Frage, wo kann mehr Länge helfen.
- Übungen für die Galerie sind für die Galerie, nicht um Haltung zu ändern und große Spannungsmuster umzuorganisieren. Also einfach intensiv Yoga zu betreiben ist nicht die Lösung. Übungen, die eine weitere Kompression der Nierengegend verursachen, wären sogar schädlich. Rückbeugen bei nach außen gestellten Knieen ebenso. Um konkret zu werden, die letzte der abgebildeten Yoga-Übungen ist eine Ansammlung von „so-nicht-trainieren“ für die Haltung der jungen Frau. Die Frage heißt: „Welches ist die nächste kleine Veränderung, die übernommen werden kann.“
Möglichkeiten, die Rolfing sieht
Wenn die oben abgebildete junge Frau in meine Praxis käme, würde ich sie auch gerne gehen sehen. Dabei könnte sich der Eindruck nochmals ändern. Auch das Gehen mit und ohne Absatz kann einen großen Einfluss auf die Orientierung des Oberkörpers haben. Doch einmal angenommen, diese Körperhaltung würde sich auch in Bewegung zeigen, dann wäre das zentrale Anliegen eine geänderte Position der gesamten Hüfte bzw. des ganzen Beckens.
Die Möglichkeit für Veränderung ist in großem Maße von unserer Orientierung in der Vertikalen abhängig. (Mehr zur Orientierung des Nervensystems im Raum.) Sie bestimmt auch oft die Möglichkeit der ersten Änderung. Wurde die Orientierung zu den Füßen hin durch das Tragen von Einlagen gestört, dann kann eine Mobilisierung von Fußgewölbe und Unterschenkel einen positiven Schub durch den gesamten Körper auslösen. (Das entspräche einer klassischen 2. Sitzung in der 10er Serie.)
Ist hingegen die Orientierung in den Raum z.B. durch Asthma behindert worden, dann kann die Öffnung des Gewebes um das Brustbein herum sowie viszerale Mobilisierung der Lunge Länge in die Vorderseite bringen. In beiden Fällen wird jede Änderung neue Fragen an die gesamte Statik aufwerfen. Als Rolfer würde ich gemeinsam mit der jungen Frau diese Fragen klären. Und mit der Zeit würde die Hüfte einen neuen Platz zwischen Fuß und Schulter einnehmen.
Und wie könnte die junge Frau diesen Änderungsprozess unterstützen?
Körperhaltungen zu ändern ist ein arbeitsamer Weg, auch für die junge Frau. Doch je genauer ihre Körperwahrnehmung geschult ist, umso abgestimmter kann sie auf Änderungen reagieren. Nehmen wir an, die erste möglich Änderung ist etwas mehr Länge im Brustbereich. Dies wird ihren Schwerpunkt nach vorne und mehr Gewicht auf den Vorderfuß verlagern. Mit einer geschulten Körperwahrnehmung wird sie einen Teil der notwendigen Anpassungen selbst vornehmen können und die Öffnung im Brustbereich nicht zurücknehmen. Wenn die junge Frau also umsichtig Yoga betreibt, tanzt oder Kampfsport betreibt, das heißt, Sport der von der eigenen Körperwahrnehmung lebt, dann wird sie sich leichter sinnvoll ändern können.
Ein Männerthema
Kaum ein Junge oder Mann kommt im Leben um die Erfahrung einer Hodenprellung herum. Es kann beim Reiten der Sattelknauf sein. Beim Fahrradfahren die Querstange beim schnellen Absteigen. Der doofe Poller, den man übersehen hat. Der Fußball, der zu tief angeflogen kam. Beim Kampfsport der leider nicht getragene Tiefschutz. Wie auch immer, es zieht vorne alles zu. Die Frage ist, öffnet es sich auch wieder. Wir wischen dies oft zu leichtfertig beiseite – wird schon wieder und peinlich ist es meist obendrein. Doch je nach den Umständen des Unfalls bleibt nicht selten ein gewisses Maß an Schutzspannung zurück.
Und das, was Sie anspannen ist meist der Kammmuskel, ein in unserem Körper völlig unbekanntes Gebiet. Sie landen damit ein bisschen in der o.a. Ballettstellung, die Sie jedoch durch Spannung „hinten“ kompensieren. Lange Rede, kurzer Sinn: Sie produzieren eine zu hohe Grundspannung vorne auf Ihr Hüftgelenk. Und ich denke, dies ist inzwischen klar: Hüftschmerzen und Verschleiß sind die möglichen Folgen. Ursache ist dafür ein wahrscheinlich lange zurückliegender Unfall.
Umsichtiges Rolfing kann hier helfen, Schicht für Schicht die Kompensationen auszugleichen. Dazu kann ein gewisses Maß an Manipulation der Nerven notwendig sein. Dies ist nicht nur eine Frage von Spaß im Leben, sondern auch von der Möglichkeit, sich auf der gesamten Körpervorderseite zu öffnen.
Ein Thema nicht nur für Frauen
Wir vergessen leicht, dass unser Bein nicht einfach im Hüftgelenk aufhört. Schließlich sind wir ja keine Stoffpuppe, bei der das Bein einfach an den Rumpf angenäht wurde. Deswegen entspricht unser Hüftgelenk ja auch nicht der Naht über dem Bein bei einer Stoffpuppe. Wenn wir beim Gehen unser Bein bewegen, dann gibt es nicht nur eine entsprechende Bewegung der Schulter und der Arme. Unser gesamter Rumpf ist mit beteiligt. Jegliche Einschränkung oberhalb der Hüfte hat deswegen Einfluss auf unser Hüftgelenk. Vor allem chirurgische Eingriffe im Unterleib wirken oft direkt auf unser Hüftgelenk.
Es lohnt sich bei Hüftschmerzen über zurückliegende – oft gynäkologische, aber nicht nur – Operationen nachzudenken. Die Operationen sind aus medizinischer Sicht meist ein voller Erfolg gewesen. Dennoch stellt sich die Frage, ob beim Gehen die Druckverhältnisse im Unterleib als „richtig“ empfunden werden. Wenn nicht, dann etablieren wir unbewusst eine schützende Bewegungseinschränkung. Unser Becken und unsere Hüfte sind meist nicht sehr detailliert in unserem Körper-Bewußtsein vorhanden. Deswegen schädigen diese Schutzhaltungen oft, da sie viel zu stark ausgebaut werden. Rolfing kann hier in Verbindung mit viszeraler Osteopathie meist eine verbesserte strukturelle Integration vornehmen. Für eine erfolgreiche Heilung bedarf es aber manchmal etwas mehr.
Wenn Sie schon Hüftschmerzen haben – was kann manuelle Therapie – Rolfing – dann bewirken
Schmerzen in einem Gelenk haben die fatale Folge, dass unser Körper in eine Schutzspannung geht. Diese Muskelanspannung stabilisiert nicht nur das Hüftgelenk, sondern presst den Hüftkopf noch stärker in die Gelenkpfanne. Ihr Gelenk ähnelt damit einem Mörser, bei dem der Gelenkknorpel unter dem Stößel (Hüftgelenkskopf) zermalmt wird. Und unsere Oberschenkel-Muskeln sind stark. Entsprechend groß ist die zerstörerische Kraft. Hier kann Rolfing als ersten Schritt einer manuellen Therapie gezielt für Entspannung sorgen. Damit besteht die Chance, ein besseres Gleichgewicht zwischen Reparatur des Gelenks und der Zerstörung durch Belastung zu schaffen. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, Hüftschmerzen zu reduzieren.
Als Nächstes sollte das Körperbild des Gelenks detailliert justiert werden. Druckrezeptoren im Gelenk sollen in einem gesunden Gelenk eine Balance zwischen Stabilität und Beweglichkeit durch Regelung der Muskelanspannung bewirken. Durch den Schmerz wird diese Rückmeldung der Druckrezeptoren verfälscht. Als Folge wird das Hüftgelenk nicht richtig angesteuert, Fehlstellungen und Fehlbelastungen werden nicht richtig korrigiert. Dies führt wiederum zu vermehrten Hüftschmerzen, vor allem bei Bewegungen. Es gilt daher, Gelenkstellungen und sicheren Druck im Gelenk wieder übereinander zu bringen, sozusagen eine Neukartierung des Hüftgelenks.
Hüftschmerzen führen zu Schonhaltungen, die selbst Verspannungen und Schmerzen auslösen können. Auch sind die vom Körper gewählten Schonhaltungen nicht notwendigerweise vorteilhaft für das Hüftgelenk. Kommt z.B. der Fuß in eine hohe Grundspannung, dann wird dieser beim Gehen nicht alle notwendigen Ausgleichsbewegungen ausführen können. Was als Korrektur zum unebenen Boden nicht im Fuß geschieht, muss ein Gelenk weiter oben, d.h. im Knie oder der Hüfte erfolgen. Beide Gelenke sind damit oft auch im Gesunden schon überfordert. Ein ganzheitlicher Blick auf Hüftschmerzen und die erfolgten Kompensationen können also helfen, Belastungen in der Hüfte zu reduzieren und Schmerzen zu lindern.
Zusammenfassung rund um Hüftschmerzen
Die erste Frage bei Hüftschmerzen – Wo?
Klären Sie die Lage Ihres Hüftgelenks. Die meisten glauben fälschlicherweise, dass das Hüftgelenk an der seitlichen Hosennaht liegt. Wenn Sie dort Schmerzen haben, dann ist es nicht das Hüftgelenk – was ja schon mal eine gute Nachricht ist.
Welche Haltung ist besonders schädlich für das Hüftgelenk und kann zu Hüftschmerzen führen?
Es ist die klassische Ballettstellung mit nach außen gedrehten Beinen und Knien oder Beinstellungen die dieser ähneln. Auch Haltungen mit einem Körperschwerpunkt hinter der Körperachse sind potenziell gefährlich für das Hüftgelenk.
Wieso können gynäkologische Operationen Jahre später zu Hüftschmerzen führen?
Unser Bein endet nicht im Hüftgelenk, sondern reicht muskulär und funktional weit in den Rumpf. Operationen im Unterleib stören oft innere Druckverhältnisse, auf die wir mit Schutzspannungen reagieren. Diese können dann über die Zeit zu Hüftschmerzen führen. Auffällig ist, das ab Mitte 60 überproportional viele Frauen einer Hüftoperation unterzogen werden.
Was sind Gründe für Hüftschmerzen?
Direkte Gründe sind meist nicht feststellbar. Es wird von einem Ungleichgewicht zwischen gelenkschädigenden und heilenden (reparativen) Mechanismen ausgegangen
Was kann Rolfing bei Hüftschmerzen bewirken?
Rolfing kann als Therapie bei Hüftschmerzen 3 Aspekte behandeln.
1. Ausgleich der Verspannungen rund um das Hüftgelenk, die aufgrund der Schmerzen meist zu hoch sind. Dies kann einen direkten Einfluss auf reparative Mechanismen haben.
2. Mapping des Gelenks, d.h., Reaktion von Drucksensoren im Gelenk mit unterschiedlichen Gelenkstellungen wieder in Einklang bringen.
3. Ausgleich von Kompensationen, die der Körper aufgrund der Schmerzen vorgenommen hat.