Viele Patienten, die zum Rolfing kommen, leiden unter Muskelverspannungen. Dabei gibt es zwei Typen, die ganz unterschiedlich von Rolfing profitieren. Im Folgenden zwei unterschiedliche Ursachen für Muskelschmerzen und wie Sie damit umgehen können.
Muskelverspannungen bei Sportlern
Da gibt es zunächst die Sportler, gleichermaßen Frauen wie Männer, die einen hohen allgemeinen Muskeltonus besitzen. Diese hohe allgemeine Muskelspannung hat zwei positive Seiten. Zum einen ist sie Teil ihres aktiven Lebensgefühls. Zum anderen bildet sie die Basis für ihren sportlichen Erfolg. Die Kehrseite sind jedoch wiederkehrenden Muskelverspannungen.
Die Gefahr des einseitigen Verschleiß
Dies ist nicht nur ein Problem, weil Muskelverspannungen schmerzhaft sind. Sie reduzieren auch ihre sportliche Leistungsfähigkeit. Zudem führt die Muskelverspannung zu gleichförmigen hohen Belastungen. Und es besteht ein großer Unterschied zwischen einem gesunden Training und gleichförmiger Angespanntheit. Deswegen trainieren Fliesenleger ja nicht das Hinknien, sondern verschleißen ihre Kniegelenke. Es ist die Gleichförmigkeit des Drucks, die zu frühem Verschleiß führt. Knorpel und Gelenkflächen werden regelrecht unter Druck zermahlen. Jede gute Körpertherapie kann hier für kurze Zeit Linderung durch Entspannung des Gewebes erreichen. Langfristig wollen Sie jedoch zu einer ausgeglichenen Grundspannung der Muskulatur kommen. Hier hilft der sehr systematische Ansatz von Rolfing, den Körper als „Gesamt-Spannungswerk“ zu betrachten.
Muskelverspannungen nach ausgeheilten Verletzungen

Das kennen Sie wahrscheinlich. Der Reit- oder Motorradunfall liegt Jahre zurück und war völlig ausgeheilt. Und Jahre später meldet sich die alte Verletzung „mit einem Mal“ wieder. Manchmal ist es nur eine gewisse Wetterfühligkeit, manchmal sind es Bewegungen, die nicht mehr so leichtgängig sind. Die spannende Frage ist doch: Warum eigentlich? Warum jetzt?
Zeit heilt nicht alle Wunden
Wir glauben meist, dass Integration „irgendwie“ gut ist. Der Körper bekommt genug Zeit, sich anzupassen. Das wächst sich mit der Zeit aus, heißt es. Aber hier ist tatsächlich die Integration der Verletzung das Problem. Denn unser Körper organisiert sich um seine alten Verletzungen herum. Es gibt einen Kern der Verletzung, der unbeweglicher wird. Zum einen geschieht dies direkt durch Schädigung des Gewebes und anschließender Narbenbildung. Zum anderen ist es unser Nervensystem, das hier ein bisschen mehr auf der Hut ist.
Ich habe früher Brötchen immer mit Schwung mit einem scharfen Brotmesser aufgeschnitten. Bis ich einmal etwas zu viel Schwung hatte und mir leicht in die Hand geschnitten habe. Das Gewebe ist wirklich vollständig verheilt, es gibt aber so ein Minizögern, wenn ich heute – Jahre danach – das Messer ansetze.
Verletzungen nehmen Platz ein
Wie gesagt, unser Körper bewegt sich um unsere Verletzungen herum. Er umläuft unflexiblere Bereiche. Im Alter fällt uns dieses Ausgleichen jedoch immer schwerer. Einerseits wird unser Gewebe unelastischer. Damit verlieren wir auch einen Teil unserer früheren Anpassung. Andererseits werden wir vorsichtiger und reagieren auf geringere Reize. Als Folge schränken wir unser Bewegungs-Repertoire ein und Muskelschmerzen begleiten uns immer mehr.
Vielfalt in unseren Bewegungsmustern erhalten
Das ganze kann ein Teufelskreis werden. Es gibt immer mehr Bewegungen, die Sie nicht machen. Vorbereitungen, die Sie vermeiden. Stabilisierungen, die zögerlich geschehen. Als Folge erhöhen Sie die Belastung an anderer Stelle. Bis es auch hier zu Verschleiß kommt. Ein guter Schutz gegen diese Reduzierung der Bewegungsvielfalt ist eine geschulte Körperwahrnehmung. Feldenkrais, Chi Gong, Tai Chi und Yoga sind deswegen intelligente Formen der Bewegung.
Verletzung neu einbinden
In jungen Jahren „bellen“ wir gewisse Einschränkungen einfach weg. Unser Körper ist dann auch mit einfacheren Lösungen zufrieden. Im Alter sind diese Lösungen aber oft nicht mehr angemessen. Viele Menschen haben im Alter eine verbesserte Körperwahrnehmung, vor allem wenn sie irgend eine Form von Gymnastik oder breit angelegtem Aufwärmtraining gemacht haben. Dies ist eine gute Basis, Verletzungen neu zu integrieren. Diese Integration besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Zum einen muss eine Beweglichkeit des Gewebes hergestellt werden, ohne das Nervensystem in Aufruhr zu versetzen. Zum anderen müssen Bewegungsmuster und Stabilisierungen neu einstudiert werden.
Integration ist wie das Öffnen einer Flurtür, die lange verschlossen war. Zunächst muss sich die Tür überhaupt öffnen lassen. Anschließend wollen Sie den Raum hinter der Tür auch nutzen. Dafür müssen Sie lernen, durch diese Tür zu gehen. Das klingt auch nach Arbeit – leider, aber ich denke, es ist es wert. Der Lohn ist ein besseres Wohlergehen. Oder um es mit einer chinesischen Weisheit auszudrücken:“Sie praktizieren Ihr Leben lang Chi Gong, um die Weisheit des Alters zu genießen.“ Und das Alter fängt im Chinesischen mit 80 an.
Haltung als Grund für Muskelverspannung?

Das ist die typische Henne-Ei-Frage. Auch wenn Rolfing „Körperhaltung“ adressiert, so ist die Haltung meist das Ergebnis von etwas und nicht der erste Grund. D.h., wir kommen aufgrund unserer ganz persönlichen Geschichte zu der für uns typischen Haltung. Diese zeigt also, wer wir sind, d.h., wir sind nicht Opfer unserer Fehlhaltung. Manchmal wollen wir jedoch unsere Haltung ändern, da sie für uns mehr und mehr zum Problem wird. Hierbei kann Rolfing helfen und auf diesem Weg auch Muskelverspannungen behandeln.
Rolfing als Faszien- und Bewegungstherapie
Bei Muskelverspannung gilt es im ersten Schritt die Verspannung zu lösen, um danach neue Bewegungsmuster einzuüben. Es ist, als ob eine Tür geöffnet wird, um danach zu lernen, den Raum hinter der Tür auch zu nutzen.