Je nach Studie sind 10-15 Prozent der Deutschen Linkshänder. Dies ist heute auch kein Problem mehr, jeder kann bei seiner bevorzugten Ausrichtung bleiben. Doch ist es für unsere Körperstabilität gleich, ob wir Links- oder Rechtshänder sind? Oder gibt es nicht doch eine „eigentlich“ bevorzugte Seite? Und was sind dann die Folgen daraus im Leben?
Ein Test auf Ihre Händigkeit und ob Sie umgeschult wurden
Bevor ich darauf eingehe, kurz meine eigene Erfahrung. Ich wurde irgendwann in der Grundschulzeit darauf ausführlich getestet, und zwar ob ich nun Rechts- oder Linkshänder bin. Leider konnte dabei kein eindeutiges Ergebnis ermittelt werden. Ich war und bin „irgendwie“ in der Mitte unterwegs. Eine italienische Rolferin demonstrierte einmal an mir einen ganz einfachen Test: Die Aufforderung war:„Klatsch doch mal in die Hände“. Wenn Sie es selbst ausprobieren wollen, dann lassen Sie jetzt jemanden zusehen. Und? Der klassische Rechtshänder nutzt die rechte Hand als bewegende Klatsch-Hand. Während dessen empfängt die linke Hand mit Handfläche nach oben die rechte Hand. Bei Linkshändern ist die umgekehrt. Und bei „umgeschulten“ Linkshändern“ Die klatschen mittig. D.h. beide Hände treffen sich mit der Handfläche senkrecht, fast wie in einer Beten-Stellung.
Der Irrglaube, wir seien symmetrisch.
Wir glauben gemeinhin, ein Linkshänder spiegelt einfach alles von rechts auf links. Dabei nehmen wir an, dass wir symmetrisch sind: Arme, Augen, Ohren, Beine – alles ist rechts wie links. Außen sind wir zwar spiegelbildlich, innen aber nicht! Es ist also falsch zu glauben, ein Linkshänder könne einfach alles nur spiegelverkehrt machen. Unser Körper ist auf rechts ausgelegt. Sie werden gleich lesen, was ich damit meine. Am Ende kommen dann die spezifischen Herausforderungen für Linkshänder. Außerdem gibt es noch eine Übung, die nicht nur für Linkshänder hilfreich ist.

Warum wir als Rechtshänder leichter unterwegs sind
Unsere Stabilität liegt rechts – eine Herausforderung für Linkshänder
Egal ob wir stehen oder sitzen, wir legen unser Gewicht leichter auf der rechten Körperhälfte ab. Der rechte Lungenflügel ist strömungstechnisch besser angelegt als der linke. Zudem ist er etwas größer als der linke. Die meisten Menschen sind daher „Rechtsatmer“. Dies gibt eine aktive Grundspannung, die eher rechts liegt. Noch wichtiger jedoch: Unter der Lunge, genauer unter dem Zwerchfell liegt rechts die massive Leber. Auf der linken Körperseite gibt es keine vergleichbare Unterstützung. Die Organe links sind eher „luftige“: Milz, Magen und Bauchspeicheldrüse. Diese Organe können keinen Druck aufnehmen. Die Leber lässt sich hingegen nicht zusammendrücken und eignet sich gut, Gewicht von oben aufzunehmen.
Unsere Verletzlichkeit liegt links – eine Gefahr für Linkshänder
Nicht nur, dass die rechte Seite stabiler ist. Die linke Seite ist auch noch schlechter versorgt. Das linke Bein ist venös schlechter an die gesamte Blutversorgung angeschlossen. Der Grund dafür ist, dass links im Körper die Aorta, die große Hauptschlagader, liegt. Ihr Gegenspieler, die große Hohlvene, liegt rechts der Wirbelsäule. Beide „Hauptstraßen“ der Blutversorgung teilen sich in der Höhe des Bauchnabels in die „Nebenstraßen“ (Beinschlagadern) für das rechte und linke Bein auf. Dabei überkreuzt die kräftige rechte Beinschlagader die nicht so kräftige Vene für das linke Bein und droht diese immer mal wieder etwas einzudrücken. Dies führt dazu, dass Trombosen im Verhältnis 60/40 eher links entstehen.
Auch die linke Niere ist etwas „unglücklich“ an unseren Blutabfluss angeschlossen. Morgendliche Rückenschmerzen links, die sich nach Bewegung verbessern, deuten daher auf ein Durchblutungsproblem und nicht auf ein klassisches Rückenproblem hin. Sie sehen, wir sind „innen“ nicht links wie rechts organisiert. Diese Verletzlichkeit untergräbt daher leicht unsere Körperstabilität der linken Seite. Verständlich, dass dies eine besondere Herausforderung für Linkshänder ist, denn sie verlassen sich mehr und besser auf ihre linke Seite. Und was heißt das jetzt?

Warum wir Linkskurven vorziehen
Die Leber macht die rechte Körperhälfte zu unserer stabilen Seite. So wird im Stehen eher das rechte Bein zum Standbein und das linke Bein zum Spielbein. Auch beim Gehen spurt das rechte Bein eher in Gehrichtung, während das linke Bein und die linke Hüftschale eher eine Außenrotation besitzen. Unser Körper reagiert auf diese unterschiedlichen Belastungen. Meist ist das rechte Bein ein bisschen länger. Dies führt dazu, dass unser stabiles, meist etwas längeres rechtes Bein uns am liebsten in eine Linkskurve schiebt.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass fast alle Geschäfte gegen den Uhrzeigersinn angeordnet sind? Das etwas längere rechte Bein schiebt uns am liebsten gegen den Uhrzeigersinn durch das Geschäft. Linksherum oder rechtsherum ist eben nicht beliebig, unser Körper diktiert klare Vorlieben. Wenn Sie Yoga machen, verabschieden Sie sich davon, Übungen rechts wie links gleich gut machen zu können. Sie sind nicht symmetrisch und damit haben wir links und rechts eine unterschiedliche Körperstabilität. Doch die Unterschiede gehen weiter und über unsere Organverteilung hinaus.
Zwei ungleiche Gesichtshälften
Sie kennen sicher Bilder, in denen das Gesicht aus zwei gleichen Gesichtshälften zusammengestellt wird. Einmal die rechte Gesichtshälfte und als linke eine gespiegelte rechte Gesichtshälfte. Das sieht „irgendwie“ komisch aus. Wenn Sie das interessiert, dann schauen Sie doch hier rein. Dies zeigt, auch im Gesicht sind wir nicht symmetrisch. Im Alter nehmen diese Unterschiede sogar noch zu. Meist ist die linke Gesichtshälfte kleiner. Zudem verschiebt sich der Kopf oft etwas nach links und die gesamte Spannung im Hals ist links dann höher als rechts. Dieser Spannungs-Unterschied dehnt sich oft bis in die Schulter aus. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in unserem Nervensystem.
Der vermutete Grund für unsere ungleichen Gesichtshälften
Der 10. Hirnnerv heißt Vagusnerv. Er vagabundiert durch den Körper und versorgt fast alle inneren Organe. Zudem ist er der größte Nerv unseres Parasympathikus, den man auch als „Ruhenerv“ oder „Erholungsnerv“ bezeichnet. Dieser Nerv kommt direkt aus unserem Gehirn und läuft mit je einem Strang links und rechts tief in unserem Hals. So unterschiedlich unsere Organe angeordnet sind, so unterschiedlich läuft dieser Nerv durch unseren Körper. Unser Körper reagiert auf Spannungen und Last, wir haben dies schon beim rechten, starken Bein gesehen. Daher ist es naheliegend, solch einen Spannungs-Unterschied auch für unsere beiden unterschiedlichen Gesichtshälften zu suchen. Der Vagusnerv bietet sich dafür an. Demzufolge spiegeln unsere unterschiedlichen Gesichtshälften den unterschiedlichen Tonus des linken wie rechten Vagusnerv wider.
Das linke Gesicht und die linke Schulter – Herausforderung für Linkshänder
Achten Sie einmal bewusst auf die Unterschiedlichkeit der linken zur rechten Gesichtshälfte. Schauen Sie auch, ob sich dieser Unterschied weiter nach unten fortsetzt. Meist sind der Hals als auch die Schulter betroffen. Unsere Wahrnehmung des linken Raums ist im Gesicht links nicht so ausgeprägt wie rechts. Viele Menschen haben daher ausgeprägte Vorlieben, ob Sie jemanden zu Ihrer linken oder rechten sitzen oder gehen lassen.
Zusammenfassung der Herausforderungen für Linkshänder
Wir stehen besser auf unserem rechten Bein, da wir rechts eine bessere Körperstabilität besitzen. Deswegen drehen wir uns lieber nach links als nach rechts. Zudem beugen wir uns auch eher nach links als nach rechts. Wir orientieren uns im Gesicht jedoch eher nach rechts.

Was heißt dies nun für Linkshänder?
Für einen Rechtshänder ist die Welt ziemlich einfach. Seine stabile Körperhälfte ist auch seine bevorzugte Körperhälfte. Bewegungen werden aus Stabilität heraus erlernt. Der Linkshänder steht vor einem Konflikt. Entweder er nutzt seine linke sensiblere Seite, um sich dort auch zu stabilisieren. Oder er nutzt seine rechte, organisch stabilere Seite, die aber von der bewussten Ansteuerung unklarer ist. D.h., als Linkshänder müssen Sie sich zusätzlichen Herausforderung stellen.
Einschub – ist es für Beidhänder leichter?
Aus eigener Erfahrung muss ich sagen: NEIN. Alle Bewegungen, auch symmetrische sind leichter, wenn es eine klare Führung durch eine Seite gibt. Die andere Seite „lehnt“ sich dann an die Führung an. Es ist, als ob unser Gehirn zu langsam ist, zwei gleichwertige Seiten parallel zu koordinieren. Effizienter ist es, auf eine Seite zu fokussieren und die andere Seite mitzunehmen.
Was Sie als Linkshänder tun sollten
Sie leben mit dem Dilemma, dass Stabilität und Sensibilität nicht zusammen leben. Wie gehen Sie nun mit der Herausforderung um, eine gute Körperstabilität als Linkshänder zu finden und im Leben zu bewahren? Erst einmal ganz allgemein: Schulen Sie Ihre Körperwahrnehmung, lernen Sie frühzeitig bei Verspannungen gegenzusteuern. Betreiben Sie nicht nur einseitig ausgelegte Sportarten. Kampfsportarten, Yoga, Tanzen sind gute Grundlagen.
Lernen Sie unterschiedliche Arten der Körperstabilisierung
Wir haben unsere bevorzugten Körperbereiche, die wir unter Stress anspannen. Unsere Sprache spiegelt dies so treffend wider. So sagen wir „Arschbacken zusammenkneifen – und durch“, d.h., wir nutzen entweder einen Teil der tiefliegenden Außenrotatoren der Beine oder tatsächlich unseren Beckenboden. Ein anderer Ausdruck ist „Da muss man erst einmal die Luft anhalten“. In diesem Fall nutzen wir entweder das Zwerchfell oder ein Verspannung im oberen Brustkorb. Wie auch immer, erkennen Sie Ihre Präferenz und schauen Sie, ob Sie andere Wege der Stabilisierung finden. Eine gute Alternative ist die Aktivierung des Serratus Anterior, der Muskel, der auch Ihr Schulterblatt an den Körper zieht.
Übung: Bringen Sie Ihre Beine auf die Spur – eine Herausforderung nicht nur für Linkshänder

Zunächst eine Warnung. Ihre Haltung wollen Sie nicht durch Ihre großen Muskeln verändern. D.h., Sie wollen also nicht bewusst Ihre Beine in irgend eine Richtung drehen!
Aber nun zur Übung: Sie stehen entspannt und stellen Sie sich vor, Ihre Kniescheiben sind Scheinwerfer, die auf eine imaginäre Wand strahlen. Nehmen Sie sich erst einmal die Zeit, festzustellen, wo diese Scheinwerfer die Wand anstrahlen. Wieweit liegen die Strahlen auseinander? Sind sie auf der gleichen Höhe? Welche Seite liegt weiter weg von der Mitte? Nochmals, nehmen Sie sich die Zeit. Sie kontrollieren damit Ihr eigenes Körperbild und stellen dabei ziemlich sicher Abweichungen fest. Und Sie wollen dieses Körperbild ändern und damit indirekt die Ansteuerung Ihrer Muskel und dadurch Ihr Gangbild.
Wenn Sie nun losgehen, stellen Sie sich vor, dass Sie auf einem Schienenstrang gehen. Ihre Kniescheiben sind wie Scheinwerfer einer Lokomotive und strahlen noch ungleichmäßig vor Ihnen her. Sie stellen sich nun vor, dass Sie die Scheinwerfer immer genauer auf den vorgestellten Schienenstrang bringen. Ihre Kniescheiben leuchten immer gerader voraus. Sie sprechen mit dieser Vorstellung direkt mit der unbewussten Ansteuerung Ihrer tiefen Beinrotatoren. Sie bringen mit der Zeit damit beide Beine sicher unter Ihre Hüfte und erreichen damit eine bessere Unterstützung Ihres Oberkörpers.