Stein über Wasser springendight depth - like stone gliding over water
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Faszien-Massage – die Kunst, auf der richtigen Oberfläche zu bleiben

Rolfing ist eine Faszien-Massage, denn es nutzt vor allem das Faziensystem zur manuellen Therapie. Faszien durchdringen den ganzen Körper als umhüllendes und verbindendes Spannungsnetzwerk. Die Kunst der Faszienmassage besteht nun darin, genau in dieser Zwischenschicht zu bleiben und gezielt Veränderungen zu erreichen.

Rolfing – die Kunst der richtigen Tiefe

Es ist, als ob Sie einen Stein über das Wasser springen lassen wollen. Es braucht den richtigen Winkel und die richtige Kraft, um den Stein für ein paar Sprünge über der Oberfläche zu halten. Andernfalls werfen Sie nur einen Stein durch die Oberfläche ins Wasser.

Faszienmassage - es reicht nicht die Oberfläche zu treffen
Es reicht nicht, die Oberfläche zu treffen.

So ist es mit klassischer Massage. Klar, es werden dort auch Faszien berührt. Aber die Kraft geht hindurch und hat damit kaum Effekt auf das alles verbindende Spannungsnetzwerk unserer Faszien. Das ist auch kein Problem, denn das eigentliche Ziel dieser Massage sind nicht die Faszien, sondern die Muskulatur.

Massage? – Kein größeres Wort?

Die meisten Rolfer werden sich von Massage distanzieren wollen. Denn Masseur oder gar Masseuse klingen für viele mehrdeutig. Das ist schade, zeigt es im Grunde unser gespaltenes Verhältnis zu unserem Körper. Schon das Wort Massage ist eine kunstvolle Abwandlung aus arabisch „mas“ für „berühren, betasten“ oder griechisch „masso“ für „kauen, kneten“. Es gab wohl ursprünglich keine Wurzeln dafür in unserem Kulturkreis. Dabei haben wir nur diesen unseren Körper und werden keinen neuen bekommen. Wir sollten uns also darum kümmern! Eine klare Körperwahrnehmung ist dafür eine gute Basis. Nur dann gehen wir umsichtig mit unserem Körper um. Massage ist dafür unersetzlich. Oder wollen Sie lieber von manueller Therapie sprechen? Wikipedia schreibt so treffend, ohne dass etwas hinzuzufügen ist:

Die Wirkung der Massage erstreckt sich von der behandelten Stelle des Körpers über den gesamten Organismus und schließt auch die Psyche mit ein.

Wikipedia – Definition von Massage

Wie wirkt die Faszien-Massage Rolfing?

Früher glaubte man, dass Faszien mechanisch durch Druck und Wärme in einen gleitfähigen Zustand gebracht werden könnten. Doch Versuche haben gezeigt, dass dafür sehr große Kräfte notwendig sind. Kräfte, die unmöglich in einer Massage erreicht werden können. Es wäre, als ob ein Elefant über uns laufen müsste. D.h. aber auch, dass mit Gewalt und Kraft nichts zu erreichen ist. Und Schmerzen, die damit bei manchen Anwendungen in Kauf genommen werden, sind völlig falsch!

Faszien sind von einem dichten Netz an Nerven durchzogen. Und es sind diese Nerven, die aktuell als Ursache für Veränderungen herangezogen werden. Faszienmassage spricht also eigentlich mit unserem Nervensystem. Dieses Nerven-Faszien-System ist vor allem für die Wahrnehmung von Lage und Ausdehnung unseres Körpers verantwortlich, wo befindet sich zum Beispiel unser Ellenbogen im Verhältnis zu unserer Schulter. Diese Wahrnehmung steuert natürlich auch, wie dicht am Körper wir unseren Ellenbogen halten, welchen Schub wir in die Schulter produzieren und welche Grundspannung wir möglicherweise in unseren Fingern haben.

Wenn Faszien-Massage eigentlich eine Faszien-Nerven-Massage ist, dann gibt es auch immer die Frage von Bewertung und Akzeptanz durch unser Nervensystem. Dies sind Fragen wie „Ist die angestrebte Änderung gut?“, „Will ich mich darauf einlassen?“, „Wie habe ich die Änderung erlebt?“.Daraus folgt auch, dass Schmerzen durch die Therapie ein inneres „Ja“ zu Veränderungen verhindern.

Was ist das Ziel einer Faszien-Massage?

Das Ziel ist, dass wir uns schmerzfrei und verlustarm bewegen können und uns darin wohlfühlen. Es geht um Bewegung, denn

Bewegung ist die Sprache unseres Verhaltens.

Körperbewusstsein geht durch Fokussierung und zu wenig Bewegung verloren.
Wir verlieren unser Körperbewusstsein – durch Fokussierung und zu wenig Bewegung

Das mag nicht so ganz zeitgemäß klingen. Denn trotz unserer Fitness-Hypes bewegen wir uns immer weniger. Nicht nur das. Wir fokussieren unseren Blick immer mehr durch Computer und Handys. Dies hat weitreichende Folgen auf unsere gesamte Körperwahrnehmung. Wir haben uns ganz grundlegend von unseren Großeltern entfernt. Wie weit richten wir uns noch auf, um peripher zu sehen? Schaffen wir unsere 10.000 Schritte pro Tag noch?

Unsere heutige Zeit ist eine besondere Herausforderung an unseren Körper, der dafür letzten Endes nicht gemacht ist. Umso mehr ist die gesonderte Schulung von Körperwahrnehmung notwendig. Daraus folgt für mich, dass wir alle ganz regelmäßig Körperarbeit erfahren sollten. Nennen Sie es Massage, ganzheitliche manuelle Therapie oder Rolfing als Faszien-Massage.

Beziehungen als Schlüssel für Haltung

Rolfing denkt in Beziehungen. Welche Beziehung haben zum Beispiel die Füße zu unserer Hüfte. Spannen Sie doch mal Ihre Zehen ganz fest an, so als ob Sie mit ihnen etwas greifen wollten. Je nachdem ob Sie stehen oder sitzen, überträgt sich diese Anspannung auf Ihr Hüftgelenk. Und möglicherweise fühlen Sie diese Spannung in Ihren Bauchmuskeln. Sie ist dort meist in Ihrem Sixpack und reicht sogar weiter Richtung Kopf. Eine andere Beziehung können Sie von Ihrem kleinen Finger in den Hals entdecken. Und es gibt noch viele andere Wege mehr. Es ist dieses Faszien-Netz, das unsere Haltung definiert, das unsere Bewegung ermöglicht und bei Verspannungen auch einschränkt. Es ist dieses Netz, das unser Gehirn darüber aufklärt, wie wir uns im Raum gerade orientieren und bewegen.

Ida Rolf hat unser Faszien-Netz als Organ der Haltung beschrieben. Darin hatte sie sicher recht. Denn unsere Faszien definieren, wie wir steh’n und geh’n. Wir haben uns darin aber auch häuslich eingerichtet. So häuslich, dass unsere Haltung durch unsere Faszien uns unverwechselbar macht. Deswegen geht eine gute Faszien-Therapie über das Lösen von ein paar Verklebungen der Faszien hinaus. Vor allem da es sehr fraglich ist, ob wir das so ohne weiteres überhaupt durch Massage können.

Umlernen als Folge von Faszien-Massage

Faszien-Massage ist eigentlich eine Faszien-Nerven-Massage. D.h., unser Nervensystem, unsere Körperwahrnehmung ist immer dabei. Und die angestrebten Änderungen sind deswegen ein manuell unterstützter Lernprozess. Ein Teil von uns hinterfragt ständig die Richtung der angestrebten Änderung. Dies dauert naturgemäß etwas länger. Aus diesem Grund bedarf es mehr, als „nur“ eine lokal wirkende Technik. Was passiert, wenn Sie Ihre Hüfte zum Beispiel etwas weiter öffnen können? Dann vergrößert sich nicht nur ihre Schrittlänge, sondern ihr gesamtes Gangbild. Auch Ihre Arme und Ihre Schultern sind betroffen. Wieweit schwingen sie mit? Wie „leichtgängig“ verdreht sich dabei Ihr Oberkörper? D.h., Ihr gesamter Körper ist betroffen und Sie müssen und wollen diesen neuen Spielraum in Ihr eigenes Körperbild integrieren. Deshalb nannte Ida Rolf ihre Arbeit ja auch „strukturelle Integration“ und „Rolfing“ war anfangs nur ein „Arbeitstitel“.

Wenn Faszien-Massage, warum dann Rolfing

Der Startpunkt der gesamten Rolfing-Methode ist das Fasziensystem. Nicht, dass andere Methoden nicht mit Faszien arbeiten. So haben Osteopathen schon immer auch mit Faszien gearbeitet. Oder die Bindegewebsmassage, die durch spezielle Techniken das Bindegewebe erreicht. Der Unterschied im Rolfing ist, dass nicht nur der Zugang zum Fasziensystem geschult und genutzt wird, sondern auch die Auswirkung auf unseren gesamten Körper.

Zusammenfassung

Was ist das Ziel einer Faszien-Massage?

Das Ziel ist, dass wir uns schmerzfrei und verlustarm bewegen können und uns dabei wohlfühlen.

Wie wirkt eine Faszien-Massage?

Überholt ist die Vorstellung, dass es die schiere Kraft ist, die unsere Faszien verändern kann. In der Forschung wird aktuell eine Verbindung von Faszien und Nerven diskutiert. Daraus ergibt sich, dass in einer Faszien-Massage unser Nervensystem eingebunden werden muss!