

Das Ziel der Rolfing-Serie ist Leichtigkeit in der Körperhaltung, indem Verspannungen reduziert werden, sodass Aufrichtung ohne Verschleiß möglich ist. Anders formuliert, die Rolfing 10er Serie beabsichtigt eine Haltungsänderung aus innen heraus. Doch meist kommen Patienten nicht wegen Ihrer Haltung, sogen wegen Schmerzen und Verspannungen zum Rolfing. Doch auch in diesem Fall ist der Blick auf Veränderung der Haltung ein guter Gradmesser für den Erfolg der Behandlung. Denn die Haltung zeigt zum einen sehr deutlich, wo sich Verspannungen, Verkürzungen und Druckbelastungen angesammelt haben. Und sie zeigt zum anderen, wo es Unterstützung, Länge und Stabilität gibt.
Warum wir an der Haltung Probleme erkennen
Sichtbarkeit von Verspannungen
Sehen Sie im Bild, wo es zu Verspannungen und Schmerzen kommen wird? Bei beiden Personen liegt der Schwerpunkt nicht mittig. Deshalb wird eine permanente Anspannung benötigt, um nicht zu fallen. Beide müssen für die Aufrichtung gegen die Schwerkraft arbeiten. Und beide haben dafür gegensätzliche Wege gewählt. Er verlagert sich nach vorne, sie – wir nennen sie „Anna”, weil wir uns nachfolgend noch auf sie beziehen werden – „lehnt” sich nach hinten.
Im Bild sehen Sie die Statik von zwei Menschen mit ihren Lotlinie und ihrer Organisation von Hals und Kopf. Sie können neben der Wirkung der Schwerkraft auch die möglichen und wahrscheinlichen Schmerzbereiche (rote Punkte) sehen.
Haltung verändert das Gewebe
Ladies first: Sie lehnt hinter ihrer Lotachse und muss ab den Knien aufwärts bis unter ihr Kinn ihre Muskulatur bauchseits anspannen.

Sie besitzt die andauernde Anspannung, wie Sie sie beim Start in eine Situp-Übung haben. Eine Situp-Übung wird aufgrund der Bewegungsdynamik zu einem Muskelaufbau führen. Eine permanente Anspannung durch Haltung führt jedoch zu einer Verstärkung des Bindegewebes auf der Körpervorderseite. Damit wird ein Teil der Haltearbeit in festes Gewebe ausgelagert, sehr vereinfacht gesagt: Sehne statt Muskel. Nach einiger Zeit wird die junge Frau sich nicht mehr durch einfache Dehnübungen aus dieser Haltung befreien können. Sie hängt in ihrer Bauchwand hinter ihrem Lot, wahrscheinlich sogar ganz entspannt. Wo also ist das Problem?
Gewebeschäden durch Haltung
Verlauf der Schäden
Zerstörender Druck
Schauen Sie noch einmal nach oben zu Anna. Ihr gesamtes Körpergewicht ab dem Knie aufwärts fällt nach hinten. Und es braucht irgendwo eine Gegenkraft, um nicht tatsächlich nach hinten zu fallen. Dieses „irgendwo“ liegt im Knie, in dessen Bandapparat und den Menisken.

Wenn Haltung das Knie schädigt
Kennen Sie noch aus der Schule: Lastarm mal Last gleich Kraftarm mal Kraft? Fast das gesamte Körpergewicht wirkt aus dem Oberkörper über einen mehr als einen Meter langen Lastarm. Der Kraftarm im Knie ist sehr kurz! Auf den Menisken wirkt ein Gewicht von über 500 kg! Diese fühlen sich wie eine Nuss im Nussknacker. Es kommt also durch direkt verstärkte Kräfte – auch schon bei geringem Körpergewicht! – zu Schäden. Doch es gibt noch mehr.
Unterversorgung
Es gibt Gewebe in unserem Körper, die nicht direkt über Gefäße mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. Die Menisken in unseren Knien gehören dazu. Sie funktionieren wie ein Küchenschwamm.

Meniskus wie ein Schwamm
Wenn Sie den Schwamm ausdrücken, wird „verbrauchtes“ Wasser abgegeben. Wenn Sie ihn dann in Wasser eintauchen und langsam entspannen, saugt er sich mit neuem Wasser voll. Vergleichbar arbeitet der Knorpel in unserem Kniegelenk. D.h., wenn Sie auftreten, wird der Knorpel zusammengedrückt und Abfallprodukte des Stoffwechsels werden herausgepresst. Wenn Sie das Knie entlasten, dann „saugt“ der Knorpel förmlich die Nährflüssigkeit auf. Das bedeutet, Druck und Entlastung versorgen das Knie und halten es gesund.
Die Konstruktion des Knies stammt noch aus einer Zeit ohne Bürostühle. Vielmehr gingen oder trabten unsere Urahnen barfuß über unebene Böden. Dies führte ganz nebenbei zur notwendigen Druckdynamik und damit zu einer gesunden Knieversorgung.
Fazit 1 – Knieprobleme sind vorprogrammiert
Es reicht, das Körpergewicht rückwärtig aus dem Lot zu bringen. Wie gezeigt, steigt die Druckbelastung im Knie und führt somit direkt zu Schäden. Darüber hinaus wird jedoch auch die natürliche Versorgung des Knies verschlechtert.
Diese Prozesse sind schleichend und addieren sich erst über die Zeit zusammen. In jungen Jahren gibt es keine Probleme und plötzlich mit 30 oder 40 sind sie da, scheinbar aus heiterem Himmel.
Knieprobleme sind nicht das Einzige
Vergleichen Sie die Haltungen von „Anna“ aus dem ersten Beispiel und die des Mannes und stellen Sie sich dabei die Frage:„In welchem Körper gibt es mehr Platz für die Bauchorgane und die Lunge?“ Wichtig ist hierbei, dass unsere Atmung eine ziemliche Dynamik produziert.

Etwas Bauch darf sein
Beim Einatmen senkt sich das Zwerchfell um mehrere Zentimeter, um die Lunge wie einen Blasebalg auseinanderzuziehen und damit zu füllen. Daraus folgt: alle Bauchorgane darunter müssen irgendwohin. Nach hinten „stört“ die Wirbelsäule, zu den Flanken behindern die Rippen, bleibt nach unten und vorne. Nach vorne heißt mehr Bauch, da gibt es kein Vertun! Aber was tun wir sportlich nicht alles, um davon so wenig wie möglich zu haben. Der Waschbrettbauch mit sichtbarem Sixpack ist das Schönheitsideal unserer Tage.
Verdauungsprobleme als Folge von Haltung
Ich vermute einfach einmal, dass „Anna“ mit ihrem Bauch ganz glücklich ist, viel hat sie ja wirklich nicht. Zudem unterstützt ihre Haltung das Wegdrücken. Die Frage, die sich ergibt, ist: „Wie geht es ihren Organen?“. Bleiben wir nur bei dem ganzen Magen-Darm-Trakt. Der Druck auf das Gewebe steigt, da es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt. Es ist klar, dass dieser die Blutversorgung behindert und das freie Gleiten von Nerven stören kann. Daraus leiten sich meist eher diffuse, klinisch schwer greifbare Störungen wie Reizdarm, Reizmagen, Malabsorption u.ä. ab.
Fazit 2 – organische Störungen kommen hinzu
Unsere Atmung bewegt unsere Organe des Bauchraums. Wird der Bewegungsraum eingeschränkt, dann führt dies letzten Endes zu Kompressionen dieser Organe. Wo und wie sich dieser erhöhte Druck als Symptom zeigt, ist nicht vorhersehbar. Bei wiederkehrenden Beschwerden kann der Blick auf die Statik des Körpers und damit auf mögliche Einengungen als Ursache sinnvoll sein.
Ein Wort der Vorsicht: Da es so viele unterschiedliche Gründe für z.B. einen Reizdarm oder Reizmagen gibt, ist die einfache Aussage falsch, dass Rolfing dabei hilft. Anders herum können sich durch die Rolfing 10er Serie die Druck- und Raumverhältnisse so nachhaltig ändern, dass dies Reizdarm oder Reizmagen verbessert.
Das Ende des Spannungsbogens

Wer hält das andere Ende?
Es ist wie beim sportlichen Seilziehen: Wenn Sie Bewegung unterbinden wollen, dann müssen beide Seiten gleich stark ziehen. Wenn, bildlich gesprochen, das eine Team am Knie zieht, wo ist dann das andere Team unterwegs?
Es ist am Hals – und Sie können es ausprobieren und selbst fühlen. Starten Sie aus dem flachen Liegen in ein Situp und spüren Sie, wo sich die Spannung im Hals verändert.
Die Konstruktion des Halses ist komplex. Rückwärtig liegt die stabilisierende Wirbelsäule, die über eine Vielzahl an geraden und schrägen Muskeln aufrecht verspannt wird. Nach vorne gibt es ein mehrschichtiges Röhrensystem aus Luft- und Speiseröhre und großen Gefäßen, die einen Teil der Blutdruckregelung enthalten. Hinzu kommen große Nervenstränge. In der vordersten Lage befindet sich zudem die lebensnotwendige Schilddrüse. Wenn dieses „Gesamtkunstwerk“ nun permanent komprimiert wird, dann sind die möglichen Folgen schlicht unübersehbar. Sie können von Tinnitus über Bluthochdruck bis zu Schilddrüsen-Über-/Unterfunktion reichen. Auch hier gilt, wie oben angeführt, Rolfing heilt nicht einen Tinnitus, ein Tinnitus kann sich aber durch die Rolfing 10er Serie verbessern.
Fazit 3 – halte den Hals frei
Der Kopf sollte idealerweise frei auf dem Hals ausbalanciert sein. Die Ausrichtung des Kopfes ist der krönende Abschluss der gesamten darunterliegenden Statik. Spannungen aus dem Rumpf übertragen sich in den Hals und führen dort zu Kompressionen der Blutversorgung, großer Nerven und mehr.
Rolfing 10er Serie als Methode
Kommen wir noch einmal auf „Anna“ zurück. Sie berichtet von Knieschmerzen und sporadischen Magendarm-Schmerzen, da sei aber nie wirklich etwas gefunden worden. Eine reine Behandlung des Knies mit seinen Bändern und Menisken wird nachhaltig keine Besserung bewirken. Dafür sind die Wechselwirkungen zu komplex und Knieschmerzen sind eigentlich hier nur ein Symptom für eine verschobene Statik.
Die Rolfing 10er Serie wird nun systematisch Veränderung anstreben, um langfristig die Belastung auf das Knie zu reduzieren und möglicherweise eine Entlastung des Magen-Darm-Traktes zu erreichen.
Rolfing 10er Serie – Sitzung 1-3 das äußere Intro
Die erste Sitzung – wir starten
Die Rolfing 10er Serie startet mit einer oberflächlichen Öffnung des Oberkörpers, sodass es eine Anpassungsfähigkeit gibt, wenn ein geänderter Schub von unten kommt. Erst die Öffnung der Oberfläche ermöglicht Veränderungen tieferer Schichten. Es ist so, als ob sie ein zu enges T-Shirt etwas weiten, um sich freier zu bewegen. Dies ist auch ein erstes Kennenlernen, wie sich Rolfing anfühlt. Was ich am häufigsten höre ist: „Es fühlt sich gut an und es fühlt sich anders an als alle anderen Körpertherapien-Erfahrungen.“ Meiner Überzeugung nach ist Wohlempfinden die beste Basis für das Akzeptieren von Veränderungen.
Die zweite Sitzung – der Stand
Die zweite Sitzung wird eine Differenzierung im Verhältnis Fuß – Unterschenkel vornehmen. Hier hinterlassen nicht nur das Tragen von festem Schuhwerk ihre Spuren, sondern auch alle Sprunggelenksverletzungen. Das Wadenbein soll idealerweise so elastisch eingebunden sein, dass es als Stoßdämpfer fungieren kann, um beim Aufkommen im Gehen den Aufprall abzufedern und nicht an den unteren Rücken weiterzuleiten.
Die dritte Sitzung – Organisation von der Seite
In der dritten Sitzung geht es um einen Ausgleich der frontalen zur rückwärtigen Ebene. Im Beispiel von „Anna“ gilt es, den Tonus rund um die Hüfte zu verändern, sodass es zu einer besseren Aufrichtung kommen kann. Dafür hatten die vorausgehenden Sitzungen die Vorarbeit geleistet. Danach wird die Empfindlichkeit des Gewebes schräg unter dem Schulterblatt in Augenschein genommen. Hier scheiden sich die Geister. Während die Hälfte der Klienten die Arbeit herrlich findet, ist die andere Hälfte hier schmerzhaft fest und das Gewebe ist durch ständiges Anspannen schlecht durchblutet und sehr schnell gereizt. In solch einem Fall muss das Behandlungs-Tempo und die Intensität so gewählt werden, dass das Alarmsystem (Schmerz) nicht anschlägt, sodass Gewebeänderungen auch dauerhaft sind.
Während sich die ersten drei Sitzungen um äußere, aber deshalb nicht minder wichtige Spannungsbezüge kümmern, geht es in den Sitzungen 4-7 um unsere Aufrichtung an einer gedachten inneren Mittellinie. Die dritte Sitzung ist bei „Anna“ die Brücke, denn um eine Änderung der Beckenstellung zu erreichen, müssen sich nicht nur die äußeren Hüftstrecker, sondern auch die inneren Hüftmuskeln sowie der Beckenboden ändern.
Rolfing 10er Serie 4..7 – die Mittellinie
Die vierte und fünfte Sitzung bilden eine Einheit und sollten zeitlich nicht zu weit auseinander liegen. Den Wirkungsbereich können Sie in sich selbst spüren.

Stellen Sie ihren stärkeren Fuß wie im Bild hinter sich auf. Produzieren Sie nun einen kontinuierlich aufsteigenden Schub aus ihrem Großzehenballen. Manchmal ist es sogar leichter dies nur in Gedanken zu tun, da dann ihr tatsächliches Gewicht keine Ablenkung produziert. Verfolgen Sie nun, wie sich dieser Schub in Ihrem Körper ausbreitet.
Der vordere Anteil der Mittellinie –
4. Sitzung – der Anfang
In jedem Fall beginnen Sie mit der Aufmerksamkeit im Großzeh und dem Großzehenballen. Von hier startet jeder Schub in den Schritt, sofern wir gehen. Wir halten diese Bewegung jetzt jedoch an. Die Weiterleitung des Schubes sollte über die Fußinnenseite gehen und dabei die Fußknochen leicht nach innen verdrehen und gegeneinander verwinden, die Außenseite des Fußes wird also entlastet. Der Schub erreicht den inneren Knöchel, steigt an der inneren Seite des Schienbeins auf, um das Knie zu passieren. Das Knie sollte jetzt keine Scherkräfte aufnehmen müssen, idealerweise wird es nur auf Druck belastet. Alle Ausgleichsbewegungen aufgrund von Unebenheiten im Boden sollten auf der Ebene des Fußes flexibel und schnell passieren.

Beininnenseiten – Becken – Bauchraum
Über dem Knie läuft die aktive Kraft weiter auf der Innenseite, um die Unterstützung für das Becken zu bewerkstelligen. Diese Unterstützung erreicht das Becken, das an der Innenseite wie über einen Fächer mit dem Oberschenkel verspannt ist. Dieser Fächer hat seinen Griff am Schambein und wie immer in der Statik, wenn von außen gezogen wird und wir uns nicht bewegen, dann braucht es einen Gegenzug von innen. Dieser Gegenzug wird sowohl durch Beckenbodenmuskeln als auch die mehrschichtige Bauchmuskulatur hergestellt. Möglicherweise können Sie sogar mit der kleinen „Großzeh-Innenseite-Bein“-Übung den Schub bis in das Becken verfolgen, die eine Aufrichtung bis zum Brustbein unterstützt.
Der vordere Anteil der Mittelline – 5. Sitzung – die Fortsetzung
In der fünften Sitzung der Rolfing 10er Serie wird die Aufrichtung über das Becken kopfwärts fortgeführt. Wieviel Spannung reduziert die Freiheit und Beweglichkeit des Bauchraums? Die Frage ist, welchen räumlichen Bezug die Umhüllung der Bauchorgane zu eben diesen Bauchorganen hat. Es ist, als ob wir eine Orange betrachten und beurteilen, ob das weiche Fruchtfleisch in die feste Schale passt.
Die fünfte Sitzung ist natürlich auch die Plattform um viszerale (d.h. organbezogene) Osteopathie zu integrieren. Unser Körper hat eine natürliche Hierarchie des Schutzes. An oberster Stelle rangiert unsere Blutversorgung gefolgt von Informationsversorgung und als letztes unser Muskelsystem. Rückenschmerzen können eben auch durch irritierte Nerven ausgelöst werden, die durch ein exzessives Bauchtraining „verklemmt“ wurden. Im Gegensatz zur Orange, die einen festen Bezug ihres weichen Fruchtfleischs zur festen Schale hat, sind wir schon durch unsere Atmung in permanenter Bewegung. Und dieses gegeneinander Gleiten kann durch Verletzungen und Operationen behindert werden. Blinddarmoperationen, Entfernung der Gallenblasen, vor allem wenn minimalinvasiv, Kaiserschnittnarben, die meisten gynäkologischen Eingriffe produzieren Fixpunkte, um die herum wir unsere Bewegung organisieren.
Der Rücken – 6. Sitzung

Die rückwärtige Aufrichtung
Ferse bis Nacken
In der sechsten Sitzung befindet sich der Klient erstmalig in der Bauchlage. Diese Sitzung bildet den Gegenpol zu den beiden vorangegangen Sitzungen und wird rückwärtige Spannungen vom Fuß bis zum Nacken aufspüren. Bei „Anna” ist wahrscheinlich die Spannung rund um ihre Ferse zu hoch, so als ob die Ferse in den Unterschenkel hereingezogen wird. Ebenso ist möglicherweise die Spannung der rückwärtigen oberen Beinmuskulatur zu hoch. Beides sind gute Beispiele für die Arbeitsweise im Rolfing. Vermutungen kann man viele anstellen, erst die erfahrene Hand bestätigt oder verwirft den visuellen Befund. Es gilt also nicht, eine Reihenfolge von manuellen Manipulationen abzuarbeiten, sondern die führenden Spannungen zu finden und auszugleichen.
Der Kopf – 7. Sitzung

Dr. Ida Rolf hat zum Ziel der siebten Sitzung einmal gesagt: „Wirf den Kopf einfach oben drauf“. Zurück zu unserer jungen Klientin. Wenn sie sich bis zu dieser Sitzung etwas aufgerichtet hat, dann muss nun unbedingt die Spannung im vorderen Halsbereich geändert werden. Andernfalls würde sie noch mehr auf den Boden schauen. Zudem würde bei umgeänderter Halsposition die Arbeit für die rückwärtigen Nackenmuskeln zunehmen, weil der Kopf noch mehr nach vorne fällt. Für viele Menschen ist die Vorstellung von Körperarbeit oder Massage am vorderen Hals abenteuerlich und lassen ihnen die Haare zu Berge stehen. Meine eigene Erfahrung ist, dass mir viele Klienten dabei eher wohlig wegdämmern und ganz sicher keinen Stress dabei empfinden.
Mit der siebten Sitzung schließt die Arbeit um die Mittellinie ab. Viele Details wurden bearbeitet. Es zeigt sich aber auch, dass es viele Abhängigkeiten gibt. Unsere junge Klientin wird vielleicht ihre Bauchspannung erst ändern, wenn sie eine andere Hals-Kopfbeziehung erhält. Es mag auch sein, dass Bewegungsmuster länger brauchen, um sich zu zeigen, z.B. um mit einer geänderten Fuß-/Unterschenkel-Relation zu laufen. Um nochmals Dr. Ida Rolf zu zitieren: „Mit dem Ende der siebten Sitzung ist die Hälfte der möglichen Änderungen erreicht.“
Rolfing 10er Serie 8..10 – die Integration
Hand zu Rumpf – die 8. Sitzung

reichenden Hand organisieren
Die achte Sitzung verfolgt die Verbindung aus der Hand in die Schulter und letzten Endes bis zur Wirbelsäule. Sind wir in der Lage zu reichen, und zwar in der gesamten Kette Hand durch die Schulter bis in den Rücken? Diese Sitzung kann in enger Nähe sowohl zur vorausgegangen siebten als auch zur sechsten stehen. Viel wird von der Freiheit der Hand abhängen.
Es ist unglaublich, wie viel Spannung im Unterarm gespeichert ist. Alle Personen mit Karpaltunnel Syndrom kommen hier auf ihre Kosten, ebenso alle greifenden Sportarten oder Berufe. Die Hand kann kaum unabhängig vom restlichen Körper Spannungen aufbauen. Diese Sitzung spiegelt die gesamte Vielfalt wieder, wie wir mit unseren Händen agieren. Ist der Daumen in Ruhestellung unter der Handfläche „geparkt“, wie sieht dann die Spannung der vorderen Brustmuskulatur aus? Diese Sitzung ist sehr individuell und einmal mehr zeigt sich, dass Ziele zu verfolgen wichtiger ist als eine Reihenfolge von „Massagehandgriffen“ abzuarbeiten.
9. Sitzung – das Knie als Gradmesser von Organisation

der lange Weg der Aufrichtung von unten
Die neunte Sitzung ist die untere Entsprechung der vorherigen Sitzung. Wie durchlässig ist die Verbindung Fuß, Knie, Hüfte bis zum unteren Rücken auf der Höhe des Zwerchfells? Je effizienter die Organisation entlang dieser Linien ist, umso freier ist der Oberkörper darüber, da kein Stress von unten nach oben weitergereicht wird.
Mehrere Übergangspunkte sind zu integrieren. Als Erstes nehmen wir uns das Knie vor. Das Knie ist geradezu ein Gradmesser für verschleißarme Organisation der Beine. Jean-Pierre Barral bezeichnet das Kniegelenk als neurologisches Gelenk, d.h., Propriozeption (Wahrnehmung von Bewegung und Lage im Raum) des Gelenks muss perfekt sein, um die Gesundheit des Knies zu gewährleisten. Bereits kleinste Spannungen führen zu Irritationen, die letzten Endes zu Schmerzen und Verschleiß führen.
Meniskus: Sind Operationen noch zeitgemäß?
Studie zur Bewertung der therapeutischen Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose
Weiter geht es mit dem Hüftgelenk, seine Einbindung in den Beckenboden und seine Verbindung zum Psoas, einem tiefen, vor der Wirbelsäule liegenden, starken Muskel, der bis zum Zwerchfell ragt und Verbindungen zu den unteren Wirbelkörpern und Bandscheiben besitzt. Unsere Aufrichtung, die Stärke unserer Lordose, d.h. unseres Hohlkreuzes, wird wesentlich durch den Psoas mitbestimmt. In der Schweiz gibt es ein Volksfestwettbewerb, wie weit man den Pantoffel vom Fuß kicken kann. Sieger werden Menschen mit gut koordiniertem Psoas, der nicht durch Bauch- oder Oberschenkelmuskeln behindert wird.
Abschied aus der Rolfing 10er Serie

Die zehnte Sitzung ist der Abschluss der 10er Serie, die hoffentlich bis hierher Einsichten in den eigenen Körper gefördert hat. Diese Reise sollte auch angenehm und versöhnend gewesen sein. Versöhnend mit eigenen Lösungen, die die besten zu ihrer Zeit, die verfügbar waren. Doch jetzt gibt es möglicherweise eine größere Bandbreite an Haltungs- und Reaktionsmöglichkeiten. Wie bei jedem Abschied gibt es jetzt sehr viel unterschiedliche Herangehensweisen. Er kann wie ein letztes Reinemachen funktionieren, um damit die erlernten Änderungen nochmals zu festigen und dabei gleichzeitig Übersehenes noch aufzuräumen. Dabei kann klarwerden, dass wir nie nur einen Muskel anspannen oder bewegen, sondern dass sich Spannungen durch unseren ganzen Körper fortsetzen und dass wir durch Training unsere eigene Wahrnehmung dafür verbessern können. Die Sitzung kann im wörtlichen Sinn ganz oberflächlich gestaltet werden. Dabei gilt es die Haut, unser größtes Sinnesorgan, an Spannungsveränderungen aus der Tiefe anzupassen.
Die Sitzung verläuft wie eine Kadenz in einem klassischen Konzert. Die Definition: ein vom Komponisten (Ida Rolf) vorgesehenes Solo (die 10te Sitzung) in einem Konzert (die 10er Serie), das dem Interpreten (dem Klienten gemeinsam mit dem Rolfer) die Möglichkeit bietet, sein virtuoses Können (die geschulte Körperwahrnehmung) zu zeigen.
War’s das? Was kommt nach der 10er Serie?
Die 10er Serie ist mit der 10ten Sitzung abgeschlossen und tatsächlich ist dieser Zyklus damit zu Ende. Gibt es weitere Zyklen? Definitiv, sie bestehen jedoch nicht aus einer Wiederholung der 10er Serie! Diese Zyklen entstehen aus einer neuen Vereinbarung zwischen Rolfer und Klient, an neuen Zielen zu arbeiten. Dabei kann es Referenzen zur 10er Serie geben, oft ist diese Arbeit aber davon völlig losgelöst.