Warum springt die junge Frau so viel höher als der Mann? Oder um es als sportliche Frage zu stellen: Was muss der Mann ändern, um höher zu springen? Nehmen wir einmal an, dass beide die gleiche Muskelkraft bezogen auf ihr Körpergewicht besitzen und sich auch gleich angestrengt haben! Die Antwort liegt in ihrer unterschiedlichen Orientierung im Raum.
Ganz alltäglich ist uns die Unterscheidung zwischen Rechts- und Linkshändern. Es bezeichnet lediglich die Vorliebe unseres Gehirns, von welcher Seite aus wir uns vorzugsweise bewegen. D.h., wir organisieren uns um diese eine dominante Seite herum. Als Rechtshänder kämmen wir eben auch unsere linke Kopfhälfte mit rechts und wechseln nicht den Kamm in die linke Hand. Wenn Sie die Herausforderungen interessieren, die Sie als Linkshänder zu meistern haben, dann können Sie hier mehr lesen.
2 Grundformen, um sich in der Senkrechten zu organisieren
Entsprechend gibt es eine Organisation des Körpers zwischen oben und unten, zwischen Menschen mit Bodenorientierung und Raumorientierung. Während die Unterscheidung zwischen Links- und Rechtshändern wie ein Spiegel der jeweils anderen Seite funktioniert, so ist die Vorliebe für Boden oder Raum viel weitreichender.
Zurück zum Bild des jungen Paars. Sehen Sie die Orientierung? Er ist bodenorientiert, während sie raumorientiert ist. Der junge Mann verlässt seine Komfortzone – den Boden – sein Blick bleibt unten, er hebt nur bedingt die Arme, seine gesamte Vorderseite spannt sich. Ganz anders die junge Frau, die sich bereitwillig in den Raum hin öffnet und ihren gesamten Körper hinter diese Öffnung nach oben organisieren kann.
Fazit: Die Effizienz der Sprungkraft ist nicht von der schieren Muskelkraft abhängig, sondern von der Orientierung des gesamten Körpers in der Bewegung.
Unterschiedliche Orientierungen fördern unterschiedliche Sportarten
Stabhochsprung – Raumorientierung
Die Orientierung und Öffnung erfolgt in den Raum. Erst diese Öffnung ermöglicht das Hohlkreuz trotz „gefährlicher“ Stange im Rücken.
Eishokey-Torwart Bodenorientierung
Die Herausforderung ist ein sicherer Stand, auch wenn es rau wird. Der Fokus liegt unten. Es gilt den Puck unten fixieren. Der Boden ist die Ressource von der sich bewegt wird.
Die Orientierung zum Boden oder in den Raum hinein ist tief in unserem Nervensystem verwurzelt. Es ist unsere Präferenz zu handeln. Sie legt auch die Art der Bereitschaftsbewegungen (premovement) fest. Dies sind Vorbereitungen des Körpers auf die eigentliche Bewegung. Viele Kampfsportler lernen es, diese Bereitschaftbewegungen zu sehen und zu deuten, um daraus einen gewissen Zeitvorteil zu gewinnen.
Mit etwas Aufwand können wir lernen, uns in sicherer Umgebung auf eine andere Orientierung einzulassen. Doch wenn es eng wird, z.B. wenn wir uns erschrecken, dann nutzen wir jedoch das Altbekannte. Wenn Sie in der Raumorientierung leben, dann heben Sie im Schreck eher die Arme, atmen ein und gehen auf die Zehenspitzen. Sind Sie jedoch in der Bodenorientierung zuhause, dann senken Sie eher die Schultern, gehen möglicherweise in die Hocke und atmen aus. Auch wenn Sie nicht die ganze Bandbreite im Schreck durchfahren, Sie leben Ihre Präferenz aus. Und da wir im Sport oftmals unsere Grenzen ausloten, fallen uns Sportarten leichter, die diese Präferenzen unterstützen. Wenn Sie beim Judo gerne fallen, dann ist der Boden ihr Freund, wenn Sie gerne hoch springen, dann ist es der Raum.
Haltung ist von Orientierung abhängig
Schauen Sie auf die Haltung des lesenden Mannes. Sehen Sie wie sich seine gesamte Haltung ändert?
Solang der Mann liest, ist die Haltung erstaunlich aufrecht, sie verlagert sich jedoch beim zügigen Gehen nach hinten. D.h., je nach Orientierung – lesend nach unten // zügig gehend nach vorne – organisiert sich dieser Herr ganz unterschiedlich um seine Schwerkraftlinie (senkrechte Mittellinie). Haltung ist also nicht etwas Statisches, das sich aufgrund unserer Gewebespannung einstellt, sondern wird auch durch unsere Ausrichtung im Raum bestimmt.
Zusammenfassung
Wir besitzen eine Orientierung im Raum oder auf dem Boden als unsere Präferenz, der wir meistens auch treu bleiben. Dabei ist ganz grundsätzlich keine dieser Vorlieben irgendwie besser. Es ist wie beim Frühstück, wir bevorzugen entweder Tee oder Kaffee und das ganz beständig, ganz gleich, welches Land wir besuchen. Wenn wir uns bemühen, können wir jedoch auch als Kaffeetrinker es in England mal mit Tee probieren. Der junge Mann müsste also lernen, wie er seine Orientierung vor dem Sprung ändert. Nur dadurch würde er schon höher springen können.